Schweinställe – Gedanken zum 24. Sonntag der Lesereihe 2022

Er hätte gerne seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen, aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich dummer Esel laufe von ihm fort. Er machte sich bittere Vorwürfe und weinte jeden Tag – und wenn er nicht gestorben ist, dann weint er und sitzt noch heute bei den Schweinen.

So hätte die Geschichte vom verlorenen Sohn aus dem Sonntagsevangelium wohl ausgehen müssen, wenn er nicht aufgebrochen und nicht heimgegangen wäre. Ja, wäre er nicht zu seinem Vater gegangen, dann säße er wohl noch immer im Schweinestall. Natürlich wissen wir, dass Jesus die Geschichte mit einem glücklichen Ende versehen hat: der junge Sohn ist am Ende nach seinen Irrungen und Wirrungen wieder daheim, der ältere Bruder ist nach großem Groll wieder versöhnt und der Vater ist glücklich, weil es seinen beiden Söhnen gut geht. Wahrlich ein Evangelium, eine Frohe Kunde für die Menschen damals wie heute: Versöhnung und Vergebung heilen und machen frei! Ich befürchte aber, dass im konkreten Leben die Geschichten von Verlorenheit nicht immer so glücklich ausgehen. Nicht selten, so denke ich, bleiben die verlorenen Söhne und Töchter in ihren Schweineställen sitzen…

Du kennst das bestimmt auch: Da ist etwas schief gelaufen, Du merkst, dass Du richtig Mist gebaut hast; Du sitzt da und weißt genau, dass es im Grunde zum größten Teil an dir gelegen hat, dass eine Sache daneben gegangen ist, eine Freundschaft zerbrochen oder ein Lebenstraum geplatzt ist. Die Einsicht oder Erkenntnis, was jetzt dran ist, die ist dann oft ganz deutlich zu spüren und die richtigen nächsten Schritte sind sonnenklar: ich müsste jetzt einfach aufstehen und vier kleine Worte über meine Lippen bringen; ich müsste jetzt nur noch fertig bringen, der*dem anderen zu sagen: „Es tut mir leid!“ Doch nicht selten – und das kenne ich von mir selbst auch nur zu gut – ist die Geschichte hier dann schon zu Ende! Kein Losgehen zum Versöhnungsfest sondern ein Verbleiben im Schweinestall – aus Angst, aus Groll oder einfach, weil ich nicht weiß, wie ich das anstellen soll.

Freilich, leicht ist dieses Aufbrechen aus dem Schweinestall nicht, denn auch an so einem unschönen Ort kann ich mich einrichten und mich mit der Situation arrangieren. Und auch Schweineställe haben Wände, gemauert aus Sätzen wie: eigentlich ist doch er*sie an allem schuld! Er*sie hat doch angefangen! Er*sie hat sich ja nicht mehr gemeldet! Er*sie hat mich doch so schwer verletzt! Wenn wir diese Sätze in unseren Herzen herumtragen, dann sind sie immer auch wahr. Aber sie sind eben nicht die ganze Wahrheit. Jeder Konflikt, jedes Zerwürfnis, jeder Fehler, jede Enttäuschung kennt immer mindestens zwei Seiten. Und wenn ich das einsehe, wie der junge Sohn im Gleichnis, und mich zugleich noch sehnsuchtsvoll an den Zustand, das Gefühl oder das Leben vor dem Sitzen im Schweinestall erinnere – vielleicht kann es mir dann leichter fallen, Schritte zur Versöhnung zu gehen, wirklich aufzustehen und die Misere hinter mir zu lassen. Und wenn das alles nicht reicht, um mir Beine zu machen, dann darf und soll ich mich auch immer wieder an Gott wenden, dass er mir Kraft gibt, dass er anfängt, meine Mauern des Grolls, der Wut, der Angst und des Schmerzes einzureißen und so den Weg bahnt zu echter heilsamer Versöhnung.

Ja, manchmal sind wir eben ein verlorener Sohn oder eine verlorene Tochter. Vielleicht sind wir es ja auch jetzt gerade, schon lange oder erst kürzlich geworden. Dann kann das Gleichnis, das wir gerade gehört haben, mehr sein als nur eine schöne Geschichte. Dann wird dieses Evangelium zur wirklich befreienden Botschaft: zu einem Wort für alle, die in den Schweineställen festsitzen und die im Grunde sehr gut wissen, dass etwas mächtig schiefgelaufen ist, die sich aber einfach nicht bewegen können oder wollen. Gerade dann braucht es solche Worte als eine Art geistlichen Tritt, einem Tritt, der manchmal notwendig ist, um wirklich aufzustehen und zur*m Partner*in, zur*m guten Freund*in, zur*m Kolleg*in am Arbeitsplatz und – nicht zu vergessen – auch zu unserem Gott die letztlich alles entscheidenden vier Worte sagt: „Es tut mir leid!“ Was dann geschieht lässt sich nicht vorhersagen, aber ich bin mir sicher, dass die ernstlich zur Versöhnung gereichte Hand niemals abgelehnt wird und so Heilung und Neuanfang ganz konkret geschenkt und empfangen werden dürfen. Und die Geschichten, die dann geschrieben werden, werden auch frohe Botschaften sein und ganz bestimmt nicht in Schweineställen spielen.

Bild von Alexa auf Pixabay

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