In den Kichen der Katholischen Tradition trägt der heutige Sonntag vielerorts den Namen „Weißer Sonntag“ Dies hat seinen Ursprung in der Tradition der Alten Kirche, dass die, die an Ostern getauft wurden, ihre Taufkleider eine Woche lang trugen und diese am Oktav-Tag, also am Sonntag nach Ostern, wieder ablegten. Der Ritus der Taufe ist in den ersten Jahrhunderten viel eindrucksvoller gewesen als heute, das muss man wohl unumwunden zugeben. Die Täuflinge, allesamt erwachsene Menschen, die einen langen Weg des Hineinwachsens in den christlichen Glauben hinter sich hatten, wurden in der Osternacht in eigens in den Kirchen dafür installierten Taufbecken (heute würde man sagen: Tauf-Jacuzzis) dreimal komplett untergetaucht. Eintauchen – das ist auch die Grundbedeutung des mittelhochdeutschen Wortes daupjan, das unserem Taufen zu Grunde liegt. Ein archaischer, in seiner Symbolik ungemein tiefer Ritus: alles Alte, alles, was von Gott trennt, alle Sünden sollten von den Täuflingen abgewaschen werden. Wie Jesus hinabstieg in das Reich des Todes, so sollen auch die Taufbewerber hinabsteigen auf den Grund des Wassers, um dann wieder aufzutauchen und so symbolisch die Auferstehung am eigenen Leib zu spüren, die Gott in Jesus Christus allen Menschen eröffnet hat.
Nach diesem besonderen Bad nun wurden die Getauften mit einem weißen Taufgewand bekleidet. Damit wurde einerseits Bezug genommen auf einen sehr schönen Gedanken des Apostels Paulus: Wir alle haben Christus als Gewand angezogen, schreibt er im Brief an die Galater. Christus als Gewand angezogen – und das unverlierbar und ohne Bedingung; ich finde das ist ein ganz wundervoller Gedanke! Wir alle, so wie wir sind, haben Jesus Christus als Gewand angezogen. Dieses Gewand ist freilich keine Uniform, sondern etwas ganz Persönliches; ein Zustand, ein Dasein, eine Verbindung, die uns berührt, wärmt, schützt und etwas her macht – eben wie die Kleidung. Und das kann in unterschiedlichen Lebensphasen auch ganz unterschiedlich aussehen. Wie stellst du dir ein „Taufkleid“ jetzt gerade aus? Vielleicht ist es ja wie ein wärmender Mantel, weil du im Glauben gerade Geborgenheit spürst oder sie dir wünschst. Vielleicht ist es ja wie eine schusssichere Weste, weil dein Glaube dir hilft, mit den Herausforderungen des Lebens klar zu kommen und daran nicht zu zerbrechen – oder weil du dir genau dies erhoffst. Vielleicht ist es aber auch nur schwungvoll arrangierter Schal, weil der Glaube gerade kein großes Thema für dich ist, du aber gerne deine Zugehörigkeit nach außen zeigst. Vielleicht ist es auch ein T-Shirt, das dir zu klein oder zu groß ist oder Risse und Flecken hat, weil du gerade mit deinem Glauben ringst und manches nicht oder nicht mehr recht passt. Da einmal hinzuspüren tut gut, finde ich. Dabei dürfen wir uns aber einer Sache ganz besonders bewusst werden: egal, wie unser Taufkleid aktuell aussieht – es kann sich wandeln und es wird uns nicht wieder genommen. Wir bleiben mit Jesus verbunden, komme was wolle – und das ist für mich persönlich ein sehr sehr wohltuender Gedanke.
Soviel einmal zum Taufkleid selber. Schauen wir als nächstes noch auf die Farbe. Denn das Weiß des Taufkleides ist auch ganz bewusst gewählt. Weiß steht für Reinheit, für Licht und auch für alles Himmlische. Mit der weißen Farbe ist damit auf das Ziel jedes Glaubensweges verwiesen, auf die erlöste Gegenwart in Gottes Ewigkeit, die freilich durch alle Getauften, die dieses Gewand angezogen haben, im Hier und Jetzt schon gegenwärtig werden darf. Ja, jede*r von uns hat mit diesem Taufkleid auch eine ganz wichtige Aufgabe mitbekommen, die ich, die Werbung zitierend, „Weißmacher*in“ nennen möchte. Nicht in dem Sinn, dass wir anderen etwas weismachen wollen, also altklug und oberlehrerhaft andere belehren wollen, wenngleich man das leider viel zu oft mit den Kirchen in Verbindung bringt. Nein, es geht darum, dieses Weiß Gottes in die Welt zu tragen. So wie die Engel am Grab Jesu in den Evangelien weiße Gewänder trugen und den Jünger*innen von dem großen Geschehen der Auferstehung erzählt haben, so dürfen und sollen wir Zeug*innen der Auferstehung sein. Wie geht das? Wie gesagt, nicht durch weismachen, durch viele kluge Worte, sondern vor allem durch ein Leben in der Hoffnung der Auferstehung, durch Zuversicht, die wir ausstrahlen, durch Freude und Dankbarkeit, aber auch durch ein beherztes Eintreten für das Leben und die Barmherzigkeit. All das steckt drin in dieser Farbe weiß im Kontext des Osterfestes und auch hier möchte ich dich fragen: wie sieht dein Weiß gerade aus? Welche Schattierung der Farbe der Auferstehung siehst du gerade ganz deutlich in deinem Leben – oder welche wünschst du dir ganz sehnlich? Oder wo ist das weiß deines Taufkleides gerade gar nicht mehr gut erkennbar und es wäre ein Waschgang oder eine Auffrischung nötig?
Ich selber kann mich natürlich nicht mehr an meine Taufe erinnern und kann auch nicht sicher sagen, ob mir damals ein Taufkleid aufgelegt wurde (üblicherweise machte man das so in den 80er Jahren). Wohl erinnere ich mich aber noch an meine Einkleidung im Kloster. Damals habe ich auch ein weißes Gewand angezogen bekommen, das zwar eine ganz andere Symbolik und Bedeutung hatte, aber der Ritus war doch ähnlich. Und das Gefühl danach, das habe ich schon noch sehr präsent: Ehrfurcht, Freude, ein wenig Stolz auch, leicht überfordert, weil es so viel Stoff war und spätestens nach der Liturgie dann die Sorge, wie lange ich ohne Flecken auskommen werde. Zumindest einiges davon, so möchte ich mutmaßen, dürften die Neugetauften in der Antike vielleicht auch gefühlt haben. Zumindest die ersten beiden Emotionen, die Ehrfurcht und die Freude, die wünsche ich auch dir heute an diesem Weißen Sonntag [und ganz besonders auch Euch, liebe Lisa, lieber Michael]. Freude, dass Du zu Jesus gehören darfst, dass er dich birgt und begleitet, dass auch über deinem Leben die große Überschrift „Auferstehung“ steht. Und die Ehrfurcht, vielleicht besser: den Respekt und die Ernsthaftigkeit für die Aufgabe, anderen Menschen dabei zu helfen, dass auch sie diese Überschrift in ihrem Leben (neu) entdecken können!